Ein Dankeschön für München, ein Aufschrei in Oberndorf

Demo vor dem Verlagssitz in München

Am heutigen 81. Streiktag fuhren die streikenden Mitarbeiter von Redaktionsgesellschaft, Medienvermarktung und Grafikbote gemeinsam zum Sitz des Süddeutschen Verlags nach München. Vor Ort dankten die Oberndorfer den Münchner Kollegen im Konzern der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH)  für ihre Solidaritätsaktion im Druckbereich (klick)  in der Nacht auf 21. Oktober. Geprägt war der Besuch aber von der schockierenden, leider aber wenig überraschenden Schließung des Grafikboten zum 30. Juni 2012, die am Tag davor in Oberndorf bekanntgegeben worden war. Das verdeutlichte den Münchner Kollegen, wohin die weitere Reise im Konzern in Sachen Tarifflucht und Lohndumping offenbar gehen soll.

Die Oberndorfer Beschäftigten wurden in der Mittagspause von Harald Pürzel, Konzernbetriebsratsvorsitzender des Süddeutschen Verlags, und mehr als 300 Beschäftigten des Münchner Konzerns vor dem Sitz des Verlags empfangen (60 Beschäftigte der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm mit Sitz in Heidelberg hatten am Vormittag schon eine Solidaritätsaktion ins Leben gerufen).
Die bevorstehende Schließung des Grafikboten in Oberndorf, von der 60 Mitarbeiter betroffen sind, sollte nochmal Anlass für einen deutlichen, hörbaren Protest sein, sagte Pürzel. Der Münchner Konzernbetriebsrasvorsitzende rief die Geschäftsführer auf, nun endlich Verhandlungen für alle drei ausgegliederte Gesellschaften aufzunehmen.

verdi-Gewerkschaftssekretär Uwe Kreft dankte den Münchner Druckern für die erfahrene Solidarität. Dies habe viel Mut gemacht. 81 Tage Streik seien viel, vor allem, wenn man immer noch dafür streike, dass man mit einem über die Arbeitsbedingungen beziehungsweise deren Absicherung in Tarifverträgen rede.

Erschwert werde das Ganze dadurch, dass man offenbar in einem Konzern der Missverständnisse lebe. Kreft bezog sich damit auf eine Vermittlung zwischen dem Stuttgarter Konzernbetriebsrat und Konzernchef Dr. Richard Rebmann, an dessen Ende stand, dass es für alle drei Gesellschaften Gespräche geben soll. Obwohl dies von allen beteiligten Betriebsräten so gehört, verstanden und von Konzern-Personalleiter Ulrich Bensel vor dem Betriebsrat der Stuttgarter Nachrichten bestätigt worden war, war dies nach Darstellung der Konzernspitze nur ein Missverständnis und sei so nicht gesagt worden.

Die Streikenden hatten den Münchnern eine Stärkung in Form von Speis und Trank mitgebracht. Eine Stärkung werde man brauchen, meinte Kreft. Zum einen die Mitarbeiter des Schwarzwälder Boten, die weiter streiken werden. Zum anderen aber vielleicht die Münchner, wenn sie den Kampf nochmals unterstützen wollen. Es werde wohl im Ganzen Konzern nicht einfacher. Nach der angekündigten Schließung des Grafikboten in Oberndorf habe man auch schon die Nachricht, dass in Stuttgart in der dortigen Druckvorstufe nach Auslauf der Beschäftigungssicherung im März 2012 angeblich ebenfalls Stellen gestrichen werden sollen.
Die spannende Frage sei: Wer macht die Arbeit künftig? Ein geflügeltes Wort sei: Die GuG kann alles. Schon jetzt würden Mitarbeiter der konzerneigenen Leiharbeiterfirma die Arbeit des Grafikboten machen. Das bedeute, wenn alle Anzeichen stimmen, dass dies auch in Stuttgart und München passiere. Das sei also nicht allein ein Oberndorfer Kampf, das werde auch Sache der Mitarbeiter in Stuttgart und München werden.

Der Hut werde der ganzen Entwicklung beim Grafikboten dadurch aufgesetzt, dass die Muttergesellschaft des Grafikboten, die Schwarzwälder Bote Mediengesellschaft, dem Grafikboten die Aufträge entziehe, diese neu vergebe, um dann festzustellen, dass der Grafikbote keine Aufträge mehr habe und man ihn deshalb schließen müsse. In diesem Konzern mit Dr. Rebmann an der Spitze werde man ganz schön vera… Da werde man noch viel zu tun haben.

Dass dies keine kurzfristigen Entwicklungen sind, sondern eine von langer Hand geplante Strategie, zeigte Dr. Thomas Ducks, Betriebsratsvorsitzender des Schwarzwälder Boten, auf. Man kenne diese seit 1992. Diese heiße, man wolle Einkommensverschlechterungen bei den Arbeitnehmer, um Kostenentlastungen zu haben.

Ende 2007 habe Dr. Rebmann noch bei einer Betriebsversammlung gesagt, dass man beruhigt in die Weihnachtsferien gehen könne. Es würde sich nichts ändern. Dieses Nichts kam dann drei Wochen später: die Ausgliederung der Druckvorstufe in den tariflosen  Grafikboten. Auch schon damals freilich ohne die gesetzlich vorgeschriebene Einbeziehung des Betriebsrates. Der erfuhr die Neugründung aus der Zeitung. Der darauf vereinbarte Interessensausgleich sei Ende 2010 ausgelaufen. Auf ihn wirke es mit der Schließung des Grafikboten nun so, als ob ein Plan abgearbeitet werde, sagte Ducks.

In der Begründung für die Ausgliederung habe es noch geheißen, es gehe darum, ein konkurrenzfähiges Leistungsunternehmen zu werden. Es habe aber keine Investitionen gegeben – weder in Technik, Ausbildung noch in die Verbreiterung der Angebotspalette. Man habe also den Eindruck, dass man drei Jahre den Betrieb ausbluten lässt, um ihn dann zu schließen. »So geht es nicht«, richtete Ducks an Rebmann.
Überrascht sei man nicht gewesen, weil jeder im Hause Schwarzwälder Bote jederzeit mit jeder Grausamkeit rechne.
Enttäuschend sei die Einfallslosigkeit der Geschäftsleitungen, die seit Jahren mit nichts anderem als mit Ausgliederung, Tarifflucht und Fremdvergabe arbeite. Mehr falle ihnen nicht ein, um die Branche zukunftsfähig zu machen.

Auch Ludwig Hankhofer, Betriebsratsvorsitzender des SV-Druckzentrums, fand deutliche Worte: Es sei nicht wirtschaftliche Not, die Herrn Rebmann so handeln lasse, sondern die pure Profitgier und der Wunsch, nicht mehr mit Gewerkschaften und wehrhaften Belegschaften verhandeln zu müssen. Er wolle wehrlose Belegschaften zu Dumpinglöhnen ausbeuten. Der Streik der Münchner Drucker sei somit auch das Signal gewesen: »Hände weg von unser aller Tarifverträge.«
Wer heute den Oberndorfern solidarisch zur Seite stehe, schütze gleichzeitig seine ureigensten Interessen. »Herr Dr. Rebmannn, ich schäme mich für Sie und ihre unmenschliche Haltung. Vielleicht findet sich noch ein Krümel Anstand. Wer nach 80 Streiktagen immer noch kein Angebot macht, handelt nach Gutsherrenart. Und diese Zeiten waren eigentlich längst vorbei.«
Hankofer sagte die weitere Unterstützung der Münchner zu, solange, bis es wieder Tarifverträge gebe.

In München gesammelte Unterschriften auf einer Papierrolle

Für die Drucker gab es Speck und Bier

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Eine Antwort auf Ein Dankeschön für München, ein Aufschrei in Oberndorf

  1. Ralf Thomas Kühnle sagt:

    Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Schwarzwälder Boten,

    ich bin GBR-Vorsitzender der Friedrich Boysen GmbH & Co KG. in Altensteig. Wir verfolgen seit Wochen Euren Kampf gegen Lohndumping und die Rückkehr in die Tarifbindung. Wenn wir Euch in irgendeiner Weise helfen können, dann lasst es uns wissen. Ich bin mir sicher, dass unsere Mitglieder von dieser Entwicklung im Hause „Schwabo“ nicht begeistert sind und sich solidarisch zeigen mit den Streikenden.
    Solche Machenschaften, wie sie bei Euch am Laufen sind, müssen mit aller Kraft bekämpft werden. Unfähige Geschäftsführer, die keine kreativen Ideen haben, sondern nur Kosten auf dem Rücken der Beschäftigten senken wollen, müssen bis zum letzten Atemzug bekämpft werden. Wir „Boysianer“ stehen Euch bei eurem Kampf bei.

    Hochachtungsvoll
    Ralf-Thomas Kühnle
    GBR-Vorsitzender der Friedrich Boysen GmbH & Co KG.

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