Die halbe Wahrheit…

(Ergänzt am 25.8.11, 15.45 um „Lohndumping beginnt“) In der heutigen Ausgabe des Schwarzwälder Boten „informiert“ die Redaktionsgesellschaft die Leser zum Tarifkonflikt.
Die Frage, wie viel Wahrheit man weglassen kann ohne die Unwahrheit zu sagen, ist sicher philosophisch und soll hier auch nicht geklärt werden. Fest steht, dass diese Information freilich gezielt Fakten weglässt und damit ein falsches Bild zeichnet, wie das wahrscheinlich keiner von (s)einer Tageszeitung möchte. Selbst einige nichtstreikende Kollegen haben dies falsch aufgenommen. Wie soll also der Leser die Wahrheit erkennen können? Deshalb hier ein paar Ergänzungen, um das Bild etwas runder zu machen.

Die genannten Fakten in der Info stimmen auf den ersten Blick soweit. Strittig ist das darin angegebene Durchschnittsgehalt von 4400 Euro (brutto, vor Steuer) eines Redakteurs. Wenn wir zugrunde legen, dass nach für unser Haus zuletzt gültigem Gehaltstarifvertrag (lesen Sie selbst {filelink=13}) die erreichbare Spitze ab dem 11. Berufsjahr 4401 Euro (1 Euro über Durchschnitt…) betrug, erscheint das zu hoch gegriffen. Natürlich haben wir nicht die Zahlen der Personalbuchhaltung, um dies nachzurechnen. Es gibt durch Besitzstandswahrung noch Kollegen, die etwas über den 4401 Euro liegen, aber natürlich einige junge Kollegen, die mit deutlich weniger eingestiegen sind (2987 Euro  im ersten bis dritten Berufsjahr).
Klar ist auch, das ist nicht schlecht, wir verdienen gut. Aber es wird von uns von Ausbildung und wöchentlicher Arbeitsleistung mindestens der Gegenwert abverlangt. Das ist in Berufsgruppen mit hoher Qualifikation so – branchenübergreifend. Wir haben aber schon seit mehr als zehn Jahren einen Reallohnverlust.   Und: Wir streiken gar nicht für mehr Geld, sondern dafür, künftig nicht von der Lohnentwicklung (unter Inflationsrate)  abgeschnitten zu sein und zu neuen Verträgen mit Dumpingkonditionen gezwungen zu werden.

Das gilt auch für die Verlagsmitarbeiter und jene des Grafikboten, die hier noch gar nicht berücksichtigt sind und im Schnitt weniger verdienen als Redakteure.

Das Dumping hat zumindest in der Redaktion auch schon begonnen. Neue Volontäre wurden demnach (offiziell verschweigt die Geschäftsführung die Zahlen) für 1228 Euro monatlich eingestellt. Dazu gibt es weder Weihnachts-, noch Urlaubsgeld, nur noch 27 Urlaubstage und (immer auf dem Papier) 40 Wochenstunden.

Wenn die Redaktionsgesellschaft nun sagt, sie wolle auf drei Jahre weiter Tarifgehalt bezahlen, sie habe das versprochen, sagen wir: Danke ja, wir kommen morgen vorbei und machen den Abschluss. Dann ist der Streik beendet.
Doch: Zuerst mal kam dieses Angebot nach damals schon knapp zwei Wochen Streik, ist also nicht mit der Ausgliederung im März, die unter Missachtung des Betriebsverfassungsgesetzes erfolgte, vorgelegt worden. Und, ganz entscheidend: Die Geschäftsführung möchte dieses Angebot nicht mit den für solche Angelegenheiten zuständigen Tarifpartnern, den Gewerkschaften, festschreiben, sondern mit dem Betriebsrat. Der ist dafür nicht zuständig. Der Gesetzgeber sieht diese Aufgabe bei den Gewerkschaften, die mit entsprechenden Mitteln – beispielsweise Streik – ausgestattet sind.
Eine Geschäftsführung könnte eine Betriebsvereinbarung jederzeit kündigen. Der Betriebsrat könnte dagegen nichts tun. Die Geschäftsführer hätten somit immer noch das Ziel ihrerAusgliederung erreicht.
Selbst wenn die Geschäftsführung eine Vereinbarung nicht kündigen würde, ginge das Lohndumping sicher weiter – mit jeder Neueinstellung. Die Galgenfrist einer Betriebsvereinbarung würde – wenn überhaupt – wohl  nur für Altverträge gelten.

Und was ist das Ziel? Nach wie vor, die Löhne deutlich abzusenken und die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Und das ohne wirtschaftliche Not. Dass sich die Zeitungslandschaft ändert, ist unbenommen. Ebenso, dass der Schwarzwälder Bote weiter gutes Geld verdient. Er ist Teil eines Konzerns, in dem man es ansonsten noch nicht für nötig hält, Tarifflucht zu begehen.

Auch die Streikenden hoffen wie die Geschäftsführung auf Rückkehr zu Vernunft und Einsicht. Was es dazu bräuchte, wäre die Einsicht, dass der Ansprechpartner für Arbeitsbedingungen die Gewerkschaft ist. Und was ist die Gewerkschaft? Die organisierten Arbeitnehmer im Schwarzwälder Bote. Also nicht außenstehende Dritte, wie gerne dargestellt wird.

Dafür streikt weiter eine angebliche Minderheit. Eine Minderheit beginnt übrigens bei 49,9 Prozent der Beschäftigten.

Hier ({filelink=14}) gibt es nochmal das jüngste Flugblatt mit allen wesentlichen Informationen.

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2 Antworten auf Die halbe Wahrheit…

  1. Holger Artus sagt:

    Liebe Kolleginnen und Kollgen,

    glaubt nicht den Sirenenklängen des Arbeitgebers. So ein Angebot zielt darauf ab, den Tarifvertrag aus dem Betrieb zu verdrängen. Ein verdränger Tarifvertrag ist im Laufe der Zeit eine zerstörte Arbeitsbeziehung. Schaut auf die Kollegen/innen der Milchstraße in Hamburg oder der Bauer Media Group. Was vpr Jahren begann, ist die Schrittweise tertrümmerung von sozialen Arbeitnehmerbelangen. Aus 30 Urlaubstagen werden 25, die Arbeitszeit steigt bis über 40-Stunden auf dem Papier, die Mehrarbeit ist abgegolten bei Summe X. Nach dem Tarifabbau kommt die Einschränkung von Arbeitnehmerrechten. An dem Punkt geht es jetzt bei euch auch um eine politische Auseinandersetzung.

    Bei „unserer“ Tarifflucht haben sie sogar den Volos mehr geboten, um den Tarifvertrag los zu werden. Durchhalten. Vertrauen.

    Gruß

  2. Gerhard Manthey, Fachbereich Medien, Kunst und Industrie Ver.di Baden-Württemberg sagt:

    Liebe Leserinnen und Leser des Schwarzwälder Boten, dies ist eine Antwort auf die Anzeige “In eigener Sache” vom 23. August 2011.

    Leider sind nur die betroffenen Redakteure und Redakteurinnen im Sinne des Presserechts zu solch einseitigen Publikationen gegendarstellungsberechtigt und nicht die zuständige Gewerkschaft, die diese Unternehmen mit den gewerkschaftlich Organisierten zu Recht bestreikt.

    So bleibt uns nur, Ihnen die vorenthaltenen Fakten zu liefern, in der Hoffnung, Sie durchschauen diese sehr vordergründige Art, Sie um die tatsächlichen Fakten und die Betroffenen um ihre Tarifverträge und damit um die gesicherte und tarifvertragliche Qualität der Arbeitsbedingungen und der damit verbundenen Pressefreiheit zu bringen.

    Im geltenden Gehaltstarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen, der nach einem mehrmonatigen Arbeitskampf gerade wegen der künftigen Verschlechterungen für Volontäre und Redakteure von den Beschäftigten erfolgreich geführt wurde, steht, dass ein Volontär laut Tarifvertrag gegenwärtig vor dem vollendeten 22. Lebensjahr 1.583 Euro, nach dem 22. Lebensjahr 1.755 Euro verdienen soll.

    Beim Schwarzwälder Boten und seiner neuen Redaktionsgesellschaft- das ist jene, die Ihnen diese nicht sehr glaubwürdige Anzeige ” in eigener Sache” geschrieben hat, verdient ein Volontär nach Angaben des Betriebsrates jetzt 1228,50 Euro.

    Und das bei Volontären, die in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium hinter sich haben. Die Differenz wird wohl die Geschäftsleitung der Redaktionsgesellschaft an die Anteilseigner und nicht in die Umstrukturierung der Zeitung stecken.

    Das sind bei einem schlichten Volontär schon rund 500 Euro im Monat und pro Jahr schon 6000 Euro. Ein solcher Volontär wird auch nicht mehr nach den tariflichen Richtlinien des Ausbildungstarifvertrages für Volontäre an Tageszeitungen nach einem vor festgelegten Ausbildungsplan zum Redakteur ausgebildet, sondern nur noch nach dem Gusto der Chefredaktion.

    Die Gehälter, die Ihnen die Redaktionsgesellschaft – dabei haben sie noch nicht einmal das Rückgrat gehabt, ihren Namen darunter zu schreiben – in der Anzeige vorgeschwindelt hat, sind nur unter sehr akrobatischen Umständen als durchschnittliches Monatsgehalt zu erreichen: Hier die Tarife, wie sie im Tarifvertrag stehen: 1. Bis 3. Berufsjahr: 2.987 Euro mal 13.75 Gehälter, im 4. Bis 6. Berufsjahr 3.467 Euro, im 7. Bis 10. Berufsjahr 4000 Euro, ab 11. Berufsjahr 4.401 Euro.

    Die Redakteure nach 7 Berufsjahren haben das Durchschnittsgehalt von 4500. Aber nur zwölf mal und nicht 13,75 mal. Da wird noch geschummelt.

    Und genau so ungenau ist auch die Urlaubsangabe, die bei den Vielen nur 30 Tage beträgt.

    Und dabei verschweigt Ihnen diese Redaktionsgesellschaft, dass die bei der Zeitung beschäftigten Redakteure- wie fast überall im Land und in der Republik, weil sie ein hohes Arbeitsethos haben, ihre Redaktionen unterbesetzt sind und sie im Gegensatz zu ihren Geschäftsführern über eine höheres Qualitätsbewusstsein ihres Journalistenberufes haben, wöchentlich und regelmäßig fünf und mehr unbezahlte und nicht mehr in Freizeit abgegoltene Überstunden leisten.

    Das verschweigt Ihnen diese Schwarzwälder Bote Redaktionsgesellschaft. Sie macht Ihnen auch vor, dass der Austritt aus der Tarifbindung durch Ihre Zusicherung für die Zukunft geheilt ist. Das ist der “Herr im Hause-Standpunkt”, Sozialpolitik nach Gutsherren-Art.

    Und gehen Sie davon aus, dass die künftig in dieser Redaktionsgesellschaft oder in den anderen ausgelagerten Gesellschaften beschäftigten Verlagsmitarbeiter – wie bei dem Volontär – wesentlich weniger verdienen werden und längere Arbeitszeiten haben. Sie haben damit noch keine bessere Zeitung, aber die Gesellschaft höhere Gewinne.

    Wir reichen Ihnen die Bilanzen der Südwestdeutschen Medien-Holding, zu der auch der Schwarzwälder Bote gehört gerne nach. Es wird Ihnen schwarz vor Augen angesichts der Gewinne und rot vor Zorn, weil weniger Geld in die Qualität der Arbeitsplätze und damit der Zeitung fließt. Dumpinglöhne haben einen engen Zusammenhang mit schlechter Qualität der Blätter.

    Und der in der Selbstanzeige hervorgehobene Umbruch der Zeitungsbranche: Stimmt, aber die einzige Innovation, die Geschäftsleitungen wie diese hervorbringen, sind Sparorgien bei den Beschäftigten.

    Schauen Sie sich eine gute Sonntagszeitung nach der Art der FAS an und dann Ihre 7. Ausgabe, die auch schon personell geschrumpft wurde.

    Merken Sie den Qualitätsunterschied? Jeder der Beschäftigten beim Schwarzwälder Boten und seinen Gesellschaften würde gerne bessere Arbeit leisten und innovativ sich für neue Leser im Papier oder online einsetzen.

    Aber nicht zu Dumpinglöhnen und unsicheren Garantien. Und darum streiken sehr viele und nicht nur ein paar, wie Ihnen diese Redaktionsgesellschaft mit beschränkter Wahrhaftigkeit weißmachen will. Solidarisieren Sie sich mit den Streikenden und fordern Qualität und nachprüfbare Fakten in den Eigenanzeigen.

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