Schreiben der Konzernspitze

Dr. Richard Rebmann, Geschäftsführer der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), hat sich in einem konzernweiten Schreiben zum Tarifkonflikt beim Schwarzwälder Boten geäußert. Da man aus unserer Sicht nicht alle Darstellungen unkommentiert lassen kann, geben wir das Schreiben an dieser Stelle mit Anmerkungen (blau) wieder.

»Seit einiger Zeit werden die Schwarzwälder Bote Redaktionsgesellschaft, die Schwarzwälder Bote Medienvermarktung Südwest und der Grafik-Bote bestreikt. Der Grafik-Bote wurde vor über drei Jahren gegründet, während die beiden anderen Unternehmen Anfang diesen Jahres aus der Redaktion und der Anzeigenabteilung der Schwarzwälder Bote Mediengesellschaft hervorgegangen sind. Die Gewerkschaften fordern, dass für alle drei Unternehmen die „Tarifbindung“ hergestellt wird.
Am Donnerstag haben die gewerblichen Mitarbeiter in der Druckerei des Süddeutschen Verlages zur Unterstützung des Streiks in Oberndorf für zehn Stunden die Arbeit niedergelegt. Dabei ist die nach wie vor tarifgebundene Druckerei der Schwarzwälder Bote Mediengesellschaft selbst von Streiks nicht betroffen.«

Fakt ist: Das ist soweit korrekt. Es müssten allerdings acht Stunden Streik gewesen sein. Und richtig: Entgegen anderslautenden Gerüchten war das Druckzentrum Südwest zu keinem Zeitpunkt Thema. Die Mitarbeiter des SV-Druckzentrums Steinhausen unterstützten ausdrücklich die Mitarbeiter der oben genannten ausgegliederten Unternehmen.

»Der Konzernbetriebsrat des SV hat weitere Aktionen angedroht, obwohl er – wie alle Betriebsräte – im Arbeitskampf zur Neutralität verpflichtet ist.«

Fakt ist: Betriebsräte sind zu Neutralität im Arbeitskampf verpflichtet. Zu den Arbeitskampfmaßnahmen haben deshalb bisher ausschließlich die Gewerkschaften aufgerufen. Unbenommen dessen können Betriebsräte Solidarität bekunden und zeigen. Und Betriebsräte sind per Amt dazu verpflichtet, den Betriebsfrieden zu wahren. Insofern ist es sogar Pflicht innerhalb eines Konzerns, darauf hinzuwirken. Sprich, den Arbeitgeber beispielsweise im Sinne des Betriebsfriedens und der Gleichbehandlung aufzufordern, Gespräche mit Gewerkschaften zu führen, um damit Arbeitskampfmaßnahmen zu verhindern.

»Bei allem Respekt für die Kollegialität unter den Mitarbeitern in den verschiedenen Unternehmen der SWMH ist mir daran gelegen, die Positionen der betroffenen Unternehmen zum aktuellen Streikgeschehen an dieser Stelle zu verdeutlichen: Die Arbeitgeber möchten eine weitere Eskalation des Streiks vermeiden. Ihnen ist an einer inhaltlichen Diskussion mit der Arbeitnehmerseite gelegen. Trotz gegenteiliger Behauptungen seitens der Gewerkschaft ver.di sind die Redaktionsgesellschaft und die Medienvermarktungsgesellschaft zu Gesprächen bereit und haben dies bereits mehrfach bekundet.«

Fakt ist: Die so genannte Gesprächsbereitschaft der Arbeitgeberseite wurde mit bis zu diesem Zeitpunkt knapp 50 Streiktagen durch die Arbeitnehmer erzwungen. Fünf vorausgegangene Aufforderungen seitens der Arbeitnehmervertretungen (Gewerkschaften) waren abgelehnt worden. Außerdem war das erste Sondierungsgespräch von Arbeitgeberseite nur für die Redaktionsgesellschaft angesetzt worden. Das für die Medienvermarktung wurde auf weiteren Druck nachgeschoben und gleich mit dem Hinweis versehen, dass dies eigentlich nichts bringe, weil betriebliche Lösungen (Betriebsvereinbarungen) alternativlos seien. Die Arbeitnehmer forderten zumindest einen Gesprächseinstieg für alle Arbeitnehmer (auch Grafikbote). Den gibt es nach wie vor nicht.

»Davon unabhängig hat sich die Geschäftsführung der Redaktionsgesellschaft bereits gegenüber allen Arbeitnehmern verbindlich verpflichtet, die Tariferhöhungen der nächsten drei Jahre weiterzugeben. Gleichartige Vorschläge der Geschäftsführung der Medienvermarktungsgesellschaft gegenüber dem Betriebsrat hat dieser leider unverständlicherweise abgelehnt.«

Fakt ist: Gesetz bleibt Gesetz. Rechtsverbindlich können Arbeitsbedingungen wie Entgelthöhe, Arbeitszeit oder Urlaubsanspruch nur in Tarifverträgen vereinbart werden. Betriebsräten ist dies untersagt. Der Betriebsrat lehnte Betriebsvereinbarungen also nicht unverständlicherweise, sondern folgerichtig ab. Er hält sich schlicht an Gesetze.

»Die Gewerkschaften lehnen Gespräche mit der Redaktionsgesellschaft und der Medienvermarktung ab, solange nicht auch für den Grafik-Boten Verhandlungen geführt werden. Damit stellt ver.di inhaltliche Vorbedingungen und verknüpft Sachverhalte, die nichts miteinander zu tun haben.«

Fakt ist: Ja, es war von Anfang an Position, dass man nicht nur für einen Teil der Streikenden beziehungsweise Arbeitnehmer sprechen kann. Damit ging es nicht um inhaltliche Bedingungen, sondern einfach um eine Gesprächsaufnahme, eine Selbstverständlichkeit also. Gespräche für alle wurden übrigens seitens der Konzernspitze in einem Vermittlungsgespräch zugesagt. Dies haben alle vier am Gespräch beteiligte Konzernbetriebsräte so gehört und verstanden. Konzern-Personalleiter Ulrich Bensel hat dies vor Betriebsräten der Stuttgarter Nachrichten wiederholt und bestätigt. Hakt man nach, war alles nur ein »Missverständnis«.
Vorbedingungen wurden vielmehr seitens der Konzernspitze gestellt, die zweimal an der Zusammensetzung der Gesprächskommission gedreht hat – nicht an ihren eigenen Vertretern, sondern den Vertretern der Arbeitnehmerseite.

»Der Grafik-Bote als Satzdienstleister agiert in einem vollkommen anderen Marktumfeld als die Redaktionsgesellschaft und die Medienvermarktungsgesellschaft, zudem wurde der Grafik-Bote bereits vor drei Jahren gegründet – übrigens ohne dass seither an den bis dato tariflich geregelten Arbeitsbedingungen irgendetwas geändert worden wäre.«

Fakt ist: Das Marktumfeld hat nicht zwingend etwas mit der Frage der Tarifbindung zu tun. In Stuttgart gibt es für Teile der Beschäftigten der Druckvorstufe ebenfalls Tarifbindung. Und freilich war es aus Arbeitnehmersicht schon 2008 ein Fehler, die Grafikbote-Mitarbeiter in eine tariflose Gesellschaft auszugliedern. Dass an den Arbeitsbedingungen nichts verändert worden sei, kann hier nur heißen, dass an den 2008 übernommenen Bedingungen nichts verschlechtert wurde. Das bedeutet aber auch, dass nichts verbessert wurde, dass die Mitarbeiter künftig nicht an der allgemeinen Lohnentwicklung, einem Inflationsausgleich teilhaben werden. Und es bedeutet weiter, dass ihre Arbeitsbedingungen nicht die rechtliche Absicherung eines Tarifvertrags haben.

»Bei den anderen beiden Gesellschaften geht es den Geschäftsführungen darum, in Zeiten tiefgreifender struktureller Veränderungen Neueinstellungen vornehmen zu können, die nicht dem starren Tarifwerk unterliegen.«

Fakt ist: Die Entscheidungen, Neueinstellungen mit Löhnen bis zu 50 Prozent unter Tarif vornehmen zu wollen, hat nichts mit strukturellen Änderungen zu tun. Eine wirtschaftliche Not ist bislang nicht zu erkennen und wurde seitens der Geschäftsführer nie angeführt. Sollte eine solche vorhanden sein, lassen auch Tarife hier Sonderregelungen zu. Außerdem sind Tarife nicht so starr, wie immer wieder dargestellt wird. Richtig ist, dass Tarife die Willkür verhindern, die sich derzeit in den Neueinstellungen zeigt.

»Ich möchte heute an die Gewerkschaft und die Betriebsräte appellieren, die angebotenen Gespräche nicht länger zu blockieren. In der Hoffnung auf eine baldige Einigung.
Dr. Richard Rebmann«

Fakt ist: Die Gewerkschaften haben bislang nicht wirklich Gespräche blockiert. Vielmehr mussten sie knapp 50 Tage streiken, um ein erstes Teil-Sondierungsgespräch zu erzwingen. Blockade sieht anders aus.
Für die Betriebsräte gilt weiterhin: Sie haben nichts mit dem Tarifkonflikt zu tun und wollen auch nicht immer wieder von der Arbeitsgeberseite als Konfliktpartei dargestellt werden. Die Betriebsräte begrüßen aber einen baldigen Einstieg in Tarifverhandlungen, weil dies dem Betriebsfrieden dienen würde.

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Eine Antwort auf Schreiben der Konzernspitze

  1. J.G. sagt:

    Weitermachen!!!

    Ich habe mein SchwaBo-Abo gekündigt und bezahle derzeit nur den halben Preis

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