Wer rettet den Verlag?

Pest oder Cholera? Vor dieser Wahl stehen die Geschäftsführer des Schwarzwälder Boten – zumindest nach eigener, unermüdlicher Darstellung. Erst heute wieder bekräftigten die beiden Geschäftsführer der Medienvermarkung Südwest in einem dreiseitigen Schreiben an ihre Mitarbeiter, dass eine Tarifbindung die wirtschaftliche Entwicklung und die Zukunft des Unternehmens gefährdet. Und der weitere Streik tue dies auch. Eine Zwickmühle, aus der es kein Entkommen gibt? Mitnichten.
Die Lösung liegt denkbar nahe. Nur gilt es seitens des Arbeitgebers, eben diese zu verhindern. Abermals sagt die Medienvermarkung einen »Änderungsschutz von Tarifnormen der Manteltarifverträge« bis Februar 2014 zu. Man sehe keinen Unterschied oder eine bessere Absicherung durch Tarifverträge. Wenn es keine Unterschiede gibt, könnten Sie also einen Tarifvertrag unterschreiben.
Nein, können (und dürfen) sie nicht, weil man die Unterschiede – zumindest an übergeordneter Stelle – sehr wohl kennt. Man weiß um die Rechtsverbindlichkeit von Tarifverträgen und deren Nachwirkung. Und man weiß, dass man auch nach Februar 2014 immer noch Nachwirkung und wohl auch noch Gewerkschaften hätte. Beides darf nicht sein.
Man hätte nicht den regelungsfreien Raum, den man sich mit einer Übergangsfrist, einer betrieblichen Lösung,  zu erkaufen gedenkt. Denn auch wenn man keine Unterschiede erkennen will, braucht man den wichtigen Einstiegssatz „… betriebliche Regelungen…  sind aus unserer Sicht alternativlos“.

Pikanterweise schließen die Geschäftsführer mit dem Satz, dass sie keine Lösung auf Grundlage von Regelungen wollen, die sie möglicherweise nicht einhalten könnten. Wenn die Absicherung also angeblich die gleiche wie bei einem Tarifvertrag ist, wäre dieser Satz nutzlos. Sonst müsste man ja annehmen, dass sie glauben, betriebliche Lösungen nicht rechtsverbindlich einhalten zu müssen. Und diese deshalb anzustreben?

Einen Großteil des Schreibens müssen die beiden Geschäftsführer darauf verwenden, die berechtigten und mehrfach mündlich wie schriftlich geäußerten  Ängste  der Mitarbeiter, 2014 gehe es an alle Verträge ran, zu zerstreuen. Ehrlich wäre es zu schreiben, dass sie selbst für 2014 nichts garantieren können, auch, weil die Vorgaben von übergeordneter Stelle kommen.

Die Gewerkschaft beabsichtige es offenbar, dem Verlag einen Schaden zuzufügen, schreibt die Medienvermarktung. Hier stimmen weder die Reihenfolge noch Ursache und Wirkung. Die Beschäftigten mussten 49 Tage streiken, um – bislang nur für die Redaktionsgesellschaft – ein Sondierungsgespräch (keine Verhandlungen!) zu bekommen. Die Verantwortung für die Ausmaße des Streiks und die Folgen liegen da doch eher bei Geschäftsführern, die einen Streik knapp 50 Tage laufen ließen, um auf dem ignoranten Weg zu bleiben, mit dem die ganze Ausgliederung eingeleitet wurde.

Die Streikenden sehen die Folge des Streiks nicht wirklich gerne. Sie fragen sich vielmehr: Muss es wirklich soweit kommen. Ein (gar nicht ganz so) anonymer Leser des Streik-Boten, ein Mitarbeiter, der noch täglich arbeitet, schrieb neulich auf dieser Seite, dass man täglich in den Betrieb gehe, um den Verlag ganz vor dem Untergang zu bewahren. Das kann man so sehen. Muss man aber nicht. Eine  andere Sichtweise wäre, dass dieser ansonsten so streitbare Geist durch seinen heldenhaften Einsatz nicht nur versucht, gerechte Arbeitsbedingungen zu verhindern, sondern auch mit zur Länge des Arbeitskampfes beiträgt. Aus den 50 Tagen wären 5 geworden, wenn alle, die uns gesagt haben, dass das eh nichts bringt, mitgestreikt hätten. Wenn alle, die gesagt haben, dass „man“ sich da wehren muss, dies auch getan hätten.
Natürlich muss man betonen, dass es Mitarbeiter gibt, die es sich aufgrund von befristeten Verträgen oder ähnlichen Konstellationen nicht leisten können, zu streiken. Dafür haben selbstverständlich auch Streikende Verständnis und machen hier keine Vorwürfe. Anfeindungen sind seitens der Streikenden absolut nicht gewollt. Wir haben in der Regel kein Problem, nach einer gerechten,  befriedigenden Lösung normal weiter zu arbeiten. Denn dafür kämpfen wir, für normale Arbeitsbedingungen.

Eine etwaige Störung des Betriebsfriedens nehmen Geschäftsführer zumindest in Kauf – durch Verweigerung und wechselhafte schriftliche Verlautbarungen. Die Mitarbeiter waren schon mit der Ausgliederung nicht gerade im Zentrum des Interesses.

Den Verlag vor Schaden zu bewahren, ist richtig und gut. Wir versuchen darüber hinaus, auch die Mitarbeiter vor Schaden zu bewahren. Weil wir denken, die Menschen sind es auch wert, nicht einer ungewissen Zukunft überlassen zu werden.

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2 Antworten auf Wer rettet den Verlag?

  1. Hans-Peter Zagermann sagt:

    An alle streikenden Kolleginnen und Kollegen des Schwarzwälder Boten,

    aus Ulm beobachte ich den Verlauf eurer betrieblichen Auseinandersetzung. Ihr dürft wahrlich stolz darauf sein euch mit diesem Management anzulegen und für die Anerkennung der Tarifverträge zu streiken. Lasst euch nicht beirren und haltet an eurem gestecktem Ziel fest!
    Mit solidarischen Grüßen

    Hans-Peter Zagermann, Ulm

  2. Gerd U.Tischbein sagt:

    Die Ignoranz der Geschäftsleitung den Mitarbeitern gegenüber ist menschenverachtend! Man erwartet engagierte, motivierte Mitarbeiter, tut aber alles, um die Motivation und das Engagement zu untergraben. Will diese Geschäftsleitung, dass der Schwabo kaputt geht, wenn ja, dann ist sie auf dem richtigen Weg! Wenn man den Schwabo weiter erhalten will, sollte man Seitens der Geschäftsleitung umgehend auf die Mitarbeiter zugehen und zurückkehren zu der Tarifbindung. Es ist schon im höchsten Maß beschämend, wenn man seine Mitarbeiter durch die Polizei hindert das Firmengelände zu betreten um Verhandlungen zu führen. Eine Geschäftsleitung sollte eigentlich daran interessiert sein, Marktanteile zu erobern und dadurch mehr Umsatz und Gewinn zu erzielen. Die Schwabo Geschäftsleitung denkt zu kurz, inzwischen ist die Geduld vieler Leser zu Ende. Immer mehr bestellen die Zeitung ab und ob diese alle wieder zurückkommen, wenn man sich am Sankt Nimmerleinstag geeinigt hat und zum normalen Betrieb kommt – das wage ich zu bezweifeln.

    Es grüßt euch
    Gerd Tischbein

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