Blumenbeet in Not

„Das Banner muss heute noch weg“, heißt es bereits 24 Stunden, nachdem wir es am Rondell in Oberndorf mit mündlicher Genehmigung der Stadt Oberndorf, des Straßenbauamtes und des Landratsamtes aufgebaut hatten. Ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt. Kann es da vielleicht die Intervention eines bekannten Verlagshauses in Oberndorf gegeben haben? Oder hat gar ein Erste-Klasse-Bürger seinen Einfluss geltend gemacht, und damit die Dritte-Klasse-Bürger aus dem Feld geworfen? „Nein“, sagt Bürgermeister Hermann Acker. Die Zustimmung zum Aufstellen vor dem Blumenbeet sei vom Ordnungsamt voreilig getroffen worden. Hmm. Das Ordnungsamt kennt also seine eigene Ordnung nicht, für die es doch da ist? Das ist in Deutschland nur schwer vorstellbar. Blumenbeete seien dazu da, dass man sie sehen könne, führt Acker aus. Das Plakat verdecke die Sicht darauf. Blumenbeete in Not – das scheint die Hauptsorge des Rathauschefs zu sein. Aber was ist mit den Menschen, mit den Streikenden, die auch und das ganz konkret in Not seien? Kommen nicht Menschen vor Blumen? „Natürlich“, aber dann sei da noch die Sache mit dem Inhalt des Banners: Wiederherstellung der Tarifbindung beim Schwabo. Diese Angelegenheit sei eine betriebsinterne, die nichts auf öffentlichen Flächen zu suchen habe – wenigstens nicht in Oberndorf. Dafür sei die Bundespolitik zuständig, also Berlin. Sonst könne ja jeder kommen…Das habe ich meinem Nachbarn erzählt, ein lebenskluger Schwabe mit feinem Hintersinn. Fragt der mich doch: „Wo können Bürgerinnen und Bürger eigentlich darüber diskutieren und streiten, wie sie sich ihre Gesellschaft wünschen, wenn nicht im öffentlichen Raum, der doch ihnen gehört? Und geht denn die unverhohlene Tarifflucht die Gemeinden wirklich nichts an, wenn eine Folge davon ist, dass die Innenstädte veröden, weil die gezielt arm gemachten Menschen dort nicht mehr einkaufen gehen können? Und was ist mit der allseits beklagten Altersarmut von morgen, die überhaupt erst dadurch entsteht, dass Unternehmen skrupellos die Löhne der Beschäftigten drücken und ihre unternehmerische Kosten schamlos an den Staat weiterreichen, der dann Stütze zahlen darf – bei gleichzeitig immer klammer werdenden Sozialkassen?“Ja, mein Nachbar ist klug. Der bringt die Dinge auf den Punkt, versteht etwas von Wirtschaft und Verwaltungspolitikern. Und Humor hat er auch. Wissen Sie denn nicht, fragt er mich verschmitzt, was BRD auch heißt? „Nee“, erwidere ich. „Bananen-Republik Deutschland“, sagt er süffisant. Alter Witz, aber immer wieder aktuell. Ich staune. Was so ein harmloses Banner wie das unsere doch so alles entlarven kann.

Nachtrag: Das in Oberndorf unerwünschte Transparent fand in Schramberg Asyl. Der Vorsitzende des SPD-Ortsverbands, Mirko Witkowski, stellte auf Anfrage sein Grundstück zur Verfügung, so dass die Botschaft jetzt an der Bundesstraßen-Einfahrt nach Schramberg zu lesen ist.  Dort verdeckt es auch nicht den Blumenschmuck, sondern lediglich einen Bauschuttcontainer.

Das Banner, so wie es am Oberndorfer Rondell stand

Das Banner an seinem aktuellen Standort in Schramberg

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3 Antworten auf Blumenbeet in Not

  1. Heidi Zenger sagt:

    Ich gratuliere Euch zu Eurem Mut und wünsche Euch viel Durchhaltevermögen.
    In der vergangenen Zeit habe ich mich immer mehr bei der Lektüre der Zeitung über die schlechte Qualität geärgert. Ich weiß wohl, dass dies nicht an der Qualität der Mitarbeiter liegt, sondern daran, dass immer weniger Leute immer mehr Arbeit und dazu zu unangemessener Bezahlung leisten müssen. Gerne bin ich bereit noch länger auf meine gewohnte Zeitung zu verzichten, wenn sich durch Euren Streik etwas ändern. Herr Rebmann sollte vielleicht einsehen, dass die Leser sich nicht unendlich lange mit schlechter Qualität hinhalten lassen, auch wenn er hier in der Raumschaft das Monopol hält.

    Viele Grüße Heidi

  2. Bernd Pieper sagt:

    Sehr geehrter Herr Acker,

    mit Erstaunen musste ich feststellen und erfahren, dass das Streiktransparent des
    Schwarzwälder Boten am Rondell auf Ihre Anweisung hin entfernt werden musste. Ich dachte immer, dass man als gewählter Bürgermeister, die Interessen ALLER
    Bürger vertritt und nicht nur die der „oberen Zehntausend“.
    Gerade als Bürgermeister sollte einem sozialer Frieden und soziale Gerechtigkeit
    in ortsansässigen Unternehmen doch besonders interessieren.
    Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft und das Entfernen dieses Plakates,
    ist wieder einmal mehr ein Armutszeugnis des demokratischen Verständnisses politischer Schichten.

    Mit freundlichen Grüßen
    Bernd Pieper

  3. Ich sagt:

    „…Blumenbeete seien dazu da, dass man sie sehen könne, führt Acker aus. Das Plakat verdecke die Sicht darauf. Blumenbeete in Not – das scheint die Hauptsorge des Rathauschefs zu sein…“
    Alles Gute zum 32. ten 🙂 – Macht weiter so!

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